Einfuhrprobleme - die Sache mit den Schnellzugloks

(von Hans-Dieter Jahr)


Bekanntlich war das Saarland immer ein industriereiches Land mit Kohlegruben und integrierten Stahlwerken aber auch grossen, ergiebigen Waldvorkommen. So war es kaum verwunderlich, dass Frankreich an diesem Gebiet höchst interessiert war, konnte man sich doch an diesen Reichtümern für erlittene Kriegsschäden schadlos halten, und so wurden solche Güter auch in gewaltigen Mengen von der Saar abtransportiert.

Um dies sicher zu stellen, wurden die Grenzen des Saarlandes zu Deutschland hin von französischer Grenzpolizei und Zollpersonal besetzt und dicht gemacht. In der Folge wurde die saarländische Wirtschaft an Frankreich angebunden, sogar der französische Franc am 17.11.1947 als Zahlungsmittel eingeführt.

Im Januar 1947 wurden auch die Eisenbahnen formell von der Deutschen Reichsbahn abgetrennt und unter der Bezeichnung "Saarländische Eisenbahnen", abgekürzt "SEB", verselbstständigt. Allerdings ging es nur um die 548 Kilometer Strecke, die im heutigen Saarland lagen. Die sonstigen, früher der RBD Saarbrücken gehörenden Strecken ausserhalb des heutigen Saarlands wurden an die ED Mainz und die am 1.4.1947 neu gegründete ED Trier übertragen.
Am 4.1.1951 erfolgte die Umbenennung der SEB dann in "Eisenbahnen des Saarlandes", abgekürzt "EdS", danach passierte erst mal nichts mehr.

Da Frankreich klar war, dass man das Land nicht auf Dauer besetzt und wirtschaftlich angeschlossen halten konnte, wurde auf der Pariser Konferenz (Oktober 1954) zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart, dass das Saarland "europäisiert", also ein völlig eigener Staat ohne jegliche Zugehörigkeit zu Deutschland oder Frankreich werden sollte. Jedoch sollten die Saarländer in einer Volksbefragung am 23.10.1955 darüber zu entscheiden haben. Da sich die Saarländer aber mit grosser Mehrheit gegen dieses Vorhaben aussprachen, musste wieder verhandelt werden und so entstand am 27.10.1956 der Saarvertrag zwischen Deutschland und Frankreich.
Ihm zufolge sollte das Land zum 1.1.1957 politisch an Deutschland angegliedert werden, wobei für die wirtschaftliche Rückgliederung eine übergangsfrist bis 31.12.1959 vorgesehen wurde. Bis zu diesem Datum sollte der Währungs- und Zollverbund mit Frankreich bestehen bleiben.

Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf die zum 1.1.1957 wieder an die DB angegliederte EdS, die jetzt als BD Saarbrücken firmierte. Die jüngste BD gehörte zwar zur Deutschen Bundesbahn, war aber zolltechnisch Ausland, und das hatte Folgen.

Bekanntlich hatte die SEB wie die EdS keine Schnellzugloks und die schwersten Güterzugloks waren die 42er Kriegsloks, ablesbar auch in diesem Beitrag, der die Lokverteilung im Mai 1949 ausweist.

Waren die EdS-Loks bislang kaum über die Landesgrenzen hinausgekommen, so wollte die DB die junge BD Saarbrücken nun auch in durchlaufende Schnellzüge einbinden. So wurde auf der internationalen Fahrplankonferenz für den Sommerfahrplan 1957 die neuen Schnellzugverbindungen Trier-Saarbrücken-Heidelberg, Saarbrücken-Frankfurt und Saarbrücken-Karlsruhe-München festgelegt. Und dazu wollte man die schnellste und stärkste Reisezuglok der BD Saarbrücken, nämlich die gute alte P8, nicht einsetzen. Es musste also etwas stärkeres und schnelleres nach Saarbrücken umstationiert werden, und so kam man auf die 03.

Und damit entstand das Problem der Einfuhr und zolltechnischen Behandlung dieses geplanten Vorhabens. Natürlich wollte die BD keine Einfuhrzölle an Frankreich zahlen, war es doch Lokmaterial, das die DB längst im eigenen Besitz hatte. Also begann man zu überlegen, wie das anzustellen wäre.


Es ging also um je 6 Loks der Baureihen 03 und 44. Wie das mit den 44ern weitergegangen ist, darüber lässt sich die Akte nicht aus, aber der Kampf um die 03er ist schön dokunentiert.

Inzwischen hatte man herausgefunden, dass nach Artikel 48 des Saarvertrages eine Einfuhrlizenz bei dem extra dafür eingesetzten "Sonderausschuss zur Regelung der Einfuhranträge für Investitionsgüter" einzuholen sein.

Als Anlagen waren nötig:
- Proformarechnung
- Techn. Unterlagen mit Abbildungen
- Erklärung über die Finanzierung der Einfuhr
- Unterlagen zum Nachweis, dass durch die Einfuhr keine unmittelbare oder mittelbare Belastung der Zahlungsbilanz des franz. Wahrungsgebietes entsteht.

Man hatte inzwischen in der BD eine Formulierung ausgeschnapst, die man als Text für die einzelnen Anlagen einsetzen wollte. Vermutlich hatte man sich mit der DB, der Regierung des Saarlandes, obigem Sonderausschuss und der französischen Zollverwaltung abgesprochen, so dass nachstehender scan den damaligen Wortlaut zeigt.


Zu richten war der Antrag an die Generalzollverwaltung Paris via französische Zollverwaltung Saarbrücken.

Inzwischen hatte die OBL Süd festgelegt, welche 03er woher an Saarbrücken abzugeben waren, von 44ern findet sich kein Wort. War die geschichtliche Abhandlung evtl. für manchen Leser uninteressant, so tauchen jetzt wenigstens Loks auf:


Der Dezernent 11 hatte inzwischen den Artikel 48 des Saarvertrages genauer studiert und schrieb an den Dezernenten 21, dass der genannte Artikel keine Möglichkeit bietet, derzeit Fahrzeuge, insbesondere Lok der DB in's Saarland umzubeheimaten und begründet dies so:

"[...]
1.) In der Anlage 13 S (kontingentierte Einfuhr) sind Eisenbahnfahrzeuge bzw. Lokomotiven nicht aufgeführt - nur Teile und Einzelteile von Bahntransportmaterial.
2.) Die Umbeheimatung von Lok fällt nicht unter Investitionsgüter für Grossprojekte nach anlage 14 [...]
3.) Eine kontingentierte und zollfreie Einfuhr der in der Anlage 15 aufgeführten Investitionsgüter - darunter Dampflok aller Art, Lok-Tender und andere Lok aller Art ist erst ab dem 1.1.1959 möglich
"

Der Dez. 21 erfuhr daraufhin vom Dez. 7, an den er sich gewandt hatte, dass eine Umbeheimatung zolltechnisch eine Einfuhr sei, und nur Loks, die umlaufbedingt die Zollgrenze kurzzeitig überschreiten, keiner Verzollung unterliegen. Rät dem Dez. 21 aber zu prüfen, ob das vereinbarte Verfahren der "admission temporaire", also eine zeitweilige Einfuhr angewendet werden sollte, das in der Regel genehmigt würde, allerdings für jeden Einzelfall bei der Zollverwaltung zu beantragen sei.

In einer Besprechung der BD mit Herrn Marchal von der Mission diplomatique am 14.5.1957 wurde dieser Sachverhalt noch einmal bestätigt und Herr Marchal riet dazu, schnellstens einen Antrag auf admission temporaire zu stellen, da ja der Fahrplanwechsel kurz bevorstehe. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass die 5 Loks täglich die Zollgrenze passieren. Aber auch dieses procedere war natürlich nicht ohne Bürokratie zu schaffen.

Zum 1.6.1957 wurden die genannten Loks an Bw Kaiserslautern übergeben, die notwendigen Unterlagen für die Beantragung der "at" kamen erst am 3.6.1959 von der OBL Süd nach Saarbrücken, wie nachstehende Erklärung der OBL Süd (Abt.-Präsident Ost) zeigt:


Nachdem die zeitweise Einfuhr der Loks genehmigt war, aber eben nur für 6 Monate, konnte sich das Bw Saarbrücken Hbf mit seinen fünf 03ern erst einmal in die Schnellzug-Umläufe einreihen. Da die Frist nun am 30.11.1957 ablaufen würde, hat man eine weitere Frist von 6 Monaten beantragt, d. h. bis zum 1.5.1958. Die Genehmigung wurde auch erteilt, und so verfuhr man im April 1958 erneut.

Im Juni 1958 teilte die französische Zollverwaltung der Zollstelle Homburg dann mit, das die zeitweilige Einfuhrfrist für die 5 Lok der Reihe 03 bis zum Ende der übergangsfrist (31.12.1959) verlängert sei.

So war das damals an der "innerdeutschen" Grenze und hat einigen Aufwand gebracht.
In der Zeit bis zum Ende der wirtschaftlichen Angliederung des Saarlandes an Frankreich musste das procedere der admission temporaire noch mindestens bei zwei weiteren 03ern durchgeführt werden, da Saarbrücken weitere Schnellzugleistungen zu erbringen hatte:



Es handelte sich um die Wiesbadener 03 048 und die Darmstädter 03 263, womit Saarbrücken nun über ganze 7 Schnellzugloks verfügte. Aber auch bei diesen Loks war es nur eine befristete Einfuhr, die jeweils genau so verlängert werden musste wie bei den ersten 5 Loks. Die 03 263 ist wohl als Resservelok nach Saarbrücken gekommen, denn anhand der Aktenlage kann man sehen, dass die bisherigen 6 Loks voll im Umlaufplan waren und keine Reserve-Lok zur Verfügung stand.

Ansonsten fuhren Kaiserslauterner P10 regelmässig Saarbrücken mit Schnellzügen an, wurden dort möglichst nicht bekohlt (Zoll!) und möglichst kaum gewartet. Wurde dennoch einmal eine grenzüberschreitende Leistung erbracht, so wurde das peinlich genau abgerechnet und ausgeglichen. Entsprechende Dokumente finden sich ebenfalls in den alten Akten.

Scan der Originaldokumente als PDF-Datei: (6 Seiten, 8,5 MByte)